Warum RealitätenTester?
- Prof. Dr. Arjan Kozica
- 12. März 2019
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 6. Okt. 2019
Mit der Frage eröffne ich gerne den Blog: Denn zu so einer Bezeichnung kommt man nicht "einfach so". In meinem Fall stehen meine Jahre als Forscher, viele Gelesenes und einige Überlegungen dahinter. Also nicht, dass ich jahrelange über einen Namen für eine Homepage und perspektivisch ein kleines Beratungsunternehmen nachgedacht habe. Sondern Überlegungen zu Organisationen und Arbeit sowie deren Wandel.
Vor knapp 20 Jahren habe ich an der Universität der Bundeswehr in München mein Studium der Wirtschafts- und Organisationswissenschaften begonnen. Von den Professoren haben mich insbesondere zwei nachhaltig beeinfluss: Rainer Marr, der mich in das Denken über Konflikte im Personalmanagement eingeführt hat, und Hans A. Wüthrich, der mich für den (radikalen) Konstruktivismus und Themen wie Erkenntnistheorie, Systemtheorie, Kybernetik begeistert hat. Seit der Zeit beschäftige ich mich mit Personalmanagement, Führung, Change-Management, und dem, was heute allgemeinhin als "systemische Beratung" gilt.
Während meiner Promotionszeit durfte ich Julia Brandl kennenlernen, einer Kollegin aus Innsbruck. Über sie bin ich zur französischen Konventionentheorie (Laurent Thévenot, Luc Boltanski) gekommen. Für alle, die diese Theorie nicht kennen, zwei, drei Stichworte (die in der Allgemeinheit sicher auch für andere Theorien gelten): Die Realität besteht aus lauter Kompromissen, die wir in Konventionen etablieren. Streit kann jederzeit ausbrechen, wenn die Natur der sozialen Realität in Frage gestellt wird. Soziale Syteme ozsillieren also zwischen stabilen Phasen und Phasen, in denen die Fragilität der Ordnung deutlich wird.
Und hier kommt nun der Punkt: Die Konventionentheorie nimmt an, dass die Realität von uns Menschen immer wieder getestet wird, um zu prüfen, ob noch das gilt, was wir gerade glauben, dass es gilt. Aber eben nicht ganz "sicher" sind, und dann doch mal lieber testen. Wir alle machen immer wieder solche Realitätstests. Und wenn die Realität den Test "besteht", wird nichts geändert, ansonsten kommt es zu Aushandlungen und Veränderungen.
Und damit macht der Begriff RealitätenTester für mich biographisch Sinn: Er verdeutlicht die konstruktivistischen Wurzeln meiner wissenschaftlichen Beschäftigung, er greift mein Interesse an der Konventionentheorie auf und passt zur Vorstellung, dass es nicht nur eine Realität gibt - sondern eben viele, die alle in gewisser Hinsicht instabil sind (wegen den Konflikten und Kompromissen).
Der Begriff RealitätenTester macht aber vor allem auch für Unternehmen und "Change Agents" Sinn: Denn er zeigt auf, was wir in unsicheren Zeiten in Organisationen noch viel öfter und systematischer machen sollen: Die Realität testen - und uns Fragen, ob bspw. angesichts der Transformation in die digitale Arbeitswelt die bisherigen Work Designs und Führungsstrukturen noch gelten. Ein Thema übrigens, mit dem ich mit meinem Mentor, Förderer und (mitterweile) sehr gutem Professoren-Kollegen Stephan Kaiser zusammen arbeite.
Soweit im ersten Blog zu den Hintergründen des Titels "RealitätenTester". Freue mich auf Rückmeldungen.
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